Manfred, wir sitzen hier inmitten eurer Weinberge. Was ist das für ein Gefühl, wenn man bedenkt, dass Du damals vor über 40 Jahren klein angefangen hast? Was war und ist Dein persönlicher Antrieb?
Es mag seltsam klingen, aber mein Antrieb hat sich über die Jahre kaum verändert. Mein Vater hat mir den Betrieb schmackhaft gemacht. Er hatte schon damals ein ausgeprägtes Qualitätsempfinden, und das obwohl die Weine in Literflaschen verkauft wurden. Die Wertschätzung dem Produkt und anderen Weinregionen gegenüber habe ich von ihm. Schon damals haben wir jeden Sonntag eine gute Flasche Wein zum Essen getrunken. Weine, die mein Vater mitgebracht hat und über die dann diskutiert wurde. Wir haben über den Tellerrand hinausgesehen.
Du bist dann nach Klosterneuburg gegangen, hast Dein Verständnis für Wein weiter verfeinert. Wie darf man sich das vorstellen?
Die Schule in Klosterneuburg hat mein Vater für mich ausgesucht. Die Ausbildung war als Absicherung gedacht, falls ich es mit dem eigenen Betrieb nicht schaffen würde. Als mein Vater dann plötzlich starb, war die Befürchtung es nicht schaffen zu können, mein allergrößter Antrieb. Ich wollte ihm zeigen, dass es geht.
Wer oder was hat dich inspiriert?
Es war eine andere Zeit. Vieles musste ich mir selbst beibringen. Es gab ein vollkommen anderes Qualitätsverständnis. Der Wein war – ähnlich wie der Schnaps – ein Produkt dem man nicht viel Wertschätzung entgegengebracht hat. Man hatte kein Problem damit schlechte Trauben zu verarbeiten. Ich aber war der Meinung, dass man nur das verarbeiten dürfe, was man auch isst. Ich wollte nur Speisequalität verarbeiten. Der Unterschied war für die Menschen schnell spürbar. Der Aufstieg zum Qualitätsweingut ging dann ziemlich schnell.
Gab es, abgesehen von der Qualität, noch andere Erfolgskriterien?
Ich habe relativ schnell bemerkt, dass die Vermarktung mindestens genauso wichtig ist wie das Weinmachen. Den Grundstein dafür hat unsere kleine Buschenschank gelegt. Durch die dort angebotene Qualität haben wir gute Leute herbekommen. Die Menschen haben Wein und Essen als Einheit erlebt. Da ist der Funke schnell übergesprungen, außerhalb des eigenen Betriebes war das deutlich schwieriger. Die Vorzeigebetriebe der Gastronomie, allen voran Willi Haider mit dem „Stündl in Graz und Heinz Reitbauer sen. in Wien, haben mir und den Weinen geholfen. Dadurch wurden wir national und später auch international sichtbar.“Mein Vater hat mir den Betrieb schmackhaft gemacht. Als er unerwartet starb, wollte ich ihm zeigen, dass ich von meiner Idee Wein zu machen leben kann.“
Es ging alles wahnsinnig schnell. Hattest Du selbst überhaupt noch ein Gespür für das Tempo?
Ich hab damals offen gestanden, alles genommen was ich kriegen konnte. Irgendwann hat die Erfolgsgeschichte dann eine Eigendynamik bekommen. Am Anfang hab ich sogar Plakate aufgehängt um meine Weine unter die Leute zu bringen. Das kann man sich heute nicht mehr vorstellen. Die ganze Aktion hat mir damals einen einzigen Kunden gebracht. Das war eine sogenannte „Abgabestelle“ in Kärnten. Eine Mostschänke, die alle 3-4 Monate 1000 Liter Wein bekam. Das war schon recht ordentlich. Weil die Leute dann aber keinen Most mehr getrunken haben, haben sie damit wieder aufgehört. (schmunzelt)
40 Jahre sind eine lange Zeit. Man erlebt viel, trifft täglich Entscheidungen. Manche betreffen einen ausschließlich selbst, andere hingegen haben Auswirkungen auf das gesamte System. Würdest Du alles noch einmal ganz genauso machen?
Im Großen und Ganzen, ja! Allerdings kann man die damalige Zeit nicht in das Jetzt transferieren. Würde ich heute starten, gäbe es andere Voraussetzungen und Möglichkeiten. Als ich begonnen habe, hat man keinen einzigen Wein aus Achtel-Gläsern getrunken. Der Wildoner Tischler und späterer Betreiber des Jaglhofs, Herbert Hirtner hat mir 1981 vor Augen geführt, dass es für uns noch viel zu tun gibt. Das was ich damals machte, war vielleicht gute Trinkqualität, mehr aber auch nicht. Nur weil jemand ein gutes Schnitzel macht, ist er eben noch lang kein guter Koch. Seither hat sich viel getan. Einfacher ist es dennoch nicht geworden.
Gibt es wirklich nichts was Du ändern würdest?
(überlegt kurz)
Ich würde ausschließlich auf Sauvignon Blanc setzen. Eine Rebsorte, das reicht. Damals habe ich zu sehr auf andere Menschen gehört, die meinten mit Sauvignon Blanc allein würde es nicht gehen. Heute würde ich das durchziehen. Ohne Wenn und Aber.
Woher kommt diese Konsequenz und die besondere Beziehung zu Sauvignon Blanc?
Ich habe sehr früh erkannt, dass diese Rebsorte das Beste für die Region ist. Man konnte Qualität erzeugen und sich gegenüber anderen Regionen abgrenzen. Was die Haltbarkeit dieser Weine betrifft sind wir bis heute unerreicht. Klar, könnte man auch einen großartigen Burgunder machen, aber den gibt es anderswo auch. „Wenn Du erfolgreich sein willst, darfst Du nicht darauf hören was die Masse macht. Wer seiner Zeit voraus ist, ist deshalb immer auch ein wenig einsam.“
Ihr arbeitet gerade am Zieregg sehr kleinteilig. Das hat zur Folge, dass das Wissen über Sauvignon Blanc riesig ist. Steigt da nicht auch die Lust am Experiment?
Produktionstechnisch ist alles möglich. Da bleibt man definitiv neugierig und hat Spaß an der Arbeit. Vermarktungstechnisch schaut es ein wenig anderes aus. Da muss man sich überlegen, ob man so kleinteilig überhaupt vermarkten kann. Denn am Ende muss der Konsument die Weine verstehen. Da wäre es manchmal besser, man hätte überhaupt nur zwei Weine im Sortiment. (lacht) Die Kleinteiligkeit und die Konzentration auf eine Rebsorte haben aber ohne Frage zu einer Exzellenz geführt. Die sich daraus ergebenden Potentiale sind enorm.
Eine Marke wie Tement ist immer in Bewegung. Armin, Stefan und Du seid starke Charaktere mit durchaus unterschiedlichen Sichtweisen. Wohin entwickelt sich das Unternehmen?
Wir versuchen gemeinschaftliche Entscheidungen zu treffen. Nur wenn sie keinen Aufschub dulden und eine Verzögerung dem Betrieb nur schaden würde, muss man oft alleine handeln. In meinem Fall betrifft das hauptsächlich den Weingarten. Wenn die Traube in Gefahr ist bleibt keine Zeit für Diskussionen. Im Keller ist das anderes.
Wie wichtig sind die unterschiedlichen Zuhänge innerhalb einer Familie?
Ich war es immer gewohnt alles mit mir selbst auszumachen. Vergleiche mit anderen hab ich kaum zugelassen. Heute sind die Buben die, die sich entwickeln dürfen und müssen. Darin möchte ich sie unterstützen. Sie sollen das machen können, was sie im Kopf haben. Ich greife nur dann ein, wenn ich Schaden für die Familie oder das Unternehmen befürchte.
Wie sieht das bei Grundsatzentscheidungen, wie beispielsweise der Umstellung auf biologische Wirtschaftsweise aus?
Wenn es nach mir gegangen wäre, dann hätte ich die Umstellung nicht auf einmal vollzogen. Für meine Söhne war das der Weg den sie in aller Konsequenz gehen wollten. Wir haben uns viele Jahre auf diesen Schritt vorbereitet. Wir mussten sattelfest sein, sonst hätten wir es nicht gemacht.
Hast du je an der Umstellung gezweifelt?
Sicher gab es Phasen die schwierig waren. Dann, wenn man Lagen kaum halten kann, weil das Klima einem einen Strich durch die Rechnung macht. Langfristig werden wir diese Flächen nicht mehr bewirtschaften. Das würde keinen Sinn machen. Schließlich wollen wir kein mittelmässiges Ergebnis, bei größtmöglichem Aufwand. Wir machen vieles richtig, einiges müssen wir aber sicherlich noch nachschärfen. Armin und Stefan können sich auf mich verlassen. Sie wissen, dass ich ihnen nicht nur Vater, sondern auch bester Freund bin.
Einen Betrieb wie diesen aufzubauen macht nicht nur Freunde. Man steht im Fokus, bekommt Gegenwind und Kritik. Wie geht ihr damit um und wie behält man die wirklich wichtigen Dinge im Fokus?
Wichtig ist, dass man sich selbst treu bleibt. Was ich in jungen Jahren gemacht habe hat den Leuten zunächst auch nicht geschmeckt. Aber wenn Du erfolgreich sein willst, darfst Du nicht darauf hören was die Masse will. Da geht es Armin heute nicht anders. Unsere Weine waren über die Jahre konstant gut, das hat uns Vertrauen gebracht und ein paar Experimente zugelassen. Ein Vertrauensvorsprung der uns dabei hilft uns weiterzuentwickeln. Je einfacher ein Wein ist, desto kleiner ist die Bereitschaft der Kunden mit einem Unternehmen mitzugehen, je komplexer er ist, desto eher stößt man auf Verständnis für das was man vor hat. Man muss es nur erklären. Einfach nur zu tun und den Konsumenten damit allein zu lassen wäre der falsche Weg.
Ihr habt noch viel vor, wollt Euch weiter entwickeln. Wie wichtig ist dabei der Familienzusammenhalt?
Wir reden viel miteinander. Verbringen Zeit miteinander und freuen uns, wenn wir zusammen sind. Das ist nicht selbstverständlich und zeigt mir, dass wir einiges richtig gemacht haben. Die Meinung des anderen anzuhören ist wichtig, es wäre falsch zu meinen, dass man immer recht hat. Genauso falsch wäre es aber, mit seiner Meinung hinter dem Berg zu halten. Wenn ich an die Arbeit meiner Söhne denke, dann erinnere ich mich daran wie ich mich damals gefühlt habe. Ich wollte mein Bestes geben. Da gibt es kein „richtig“ oder „falsch“, es gibt nur ein „anders“. Zu Armin sage ich immer: „Einen besseren Freund als mich wirst Du nicht finden.“
Wie geht es Dir dabei als Vater. Schließlich will man seine Kinder vor negativen Erfahrungen bewahren?
Das schwierigste als Vater ist, dass man sich manchmal einfach Sorgen macht. Diese Sorge darf man nicht immer artikulieren, denn es ist wichtig, dass die Kinder ihre eigenen Erfahrungen machen. Ich möchte meine Kinder in dem was sie tun begleiten und behüten. Das gelingt mir manchmal besser und manchmal schlechter. Eines ist für mich aber immer klar gewesen: Hundertprozentig hinter dem zu stehen was sie tun. Denn wenn wir selbst nicht an unsere Arbeit glauben, wie soll es dann der Konsument tun.
Gibt es irgendetwas was Du unbedingt noch machen möchtest. Einen unerfüllten Traum, eine Sehnsucht?
Eigentlich würde ich gerne einen kleinen Weingarten für mich alleine haben. Ihn verstehen und bewirtschaften. Diese Idee habe ich aber erst einmal auf Eis gelegt. Jetzt geht es darum meine Kinder in ihrer Vorstellung vom Wein zu unterstützen. Mit aller Kraft dafür zu sorgen, dass ihre Wünsche Realität werden können. Ich möchte Tement mit ihnen gemeinsam zu Ende denken.
Interview: Barbara Klein
Bilder: Ingo Pertramer